Sprintstaffel der Frauen brach mit Glück den medaillenlosen Bann

(Eugene/Krefeld, 24. Juli 2022)  Unverhofft kommt oft. Behauptet jedenfalls ein Spruch aus Volkes Mund. Allerdings war der für die quantitativ viel zu üppig aufgestellte deutsche Leichtathletik-Nationalmannschaft bei diesen Weltmeisterschaften in Eugene im US-Bundestaat Oregon über eine elendig lange Strecke bis kurz vor Schluss weit überwiegend negativ belegt. Speerwerfer Julian Weber schien dafür auserkoren, den medaillenlosen Bann nach sehr locker absolvierter Qualifikation von 87,28m brechen zu können. Der Mainzer präsentierte sich entgegen allzu vielen selbst am eigenen Standard gemessenen enttäuschenden Germanen in exzellenter aktueller Verfassung und strahlte jede Menge Zuversicht aus. Der mit feiner Klinge statt körperlicher Brachialgewalt werfende, feinfühlige Filigrantechniker rief nach der kurzen Galavorstellung den ersten 90-m-Wurf (PBL 89,54m) seiner Karriere und eine Medaille mit „ich mache mein Ding“ aus. Die optimistische Rechnung ging nicht auf. Nach gutem Auftakt von 86,86m verlor er im Finale der vorigen Nacht MESZ völlig den Faden. Damit sollte es für den 27-Jährigen wie schon im Vorjahr bei Olympia in Tokio der medaillenlose, undankbare vierte Platz werden. Diesmal fehlten an Edelmetall allerdings nicht nur 14 Zentimeter, sondern 1,23m. Ein schwacher Trost (siehe Ergebnisliste).

Der einen Leid, der anderen Freud‘ in je vierfacher Ausfertigung

Doch nun kommt „unverhofft“ ins deutsche Spiel. Die 4x100-m-Staffel der Frauen mit Tatjana Pinto, Alexandra Burghardt, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase stürmte durch die Medaillentür, die ihr von der mit einer Verletzung eingebremsten Britin Dina Asher-Smith aufgemacht worden ist. Dazu mit einem blitzsauberen Rennen auf allen Positionen und prima Wechseln sowie sich gegenüber dem „lahmen“ Vorlauf auf der Schlussgeraden um 0,22 Sekunden steigernden Haase. Das war auch dringend vonnöten, um gegenüber dem Afrika-Rekord laufenden Nigeria den dritten Platz in starken 42,03 (SBZ) zu 42,22 Sekunden zu behaupten. Vorne waren Überraschungssieger USA und Jamaika weit enteilt (Ergebnisliste). Das DLV-Quartett war sich in der Nachbetrachtung schon bewusst, dass ihm mit gehörigem Glück Bronze mit viel Pech von Großbritannien (41,99 im nicht ausgereizten Vorlauf) auf dem Silbertablett serviert wurde. Doch eine Binsenweisheit besagt: Abgerechnet wird auf der Ziellinie. Alles andere bleibt eh eine Hypothese.

Verletzung von Damian Warner macht Goldspur im Zehnkampf frei

Neu gemischt werden nach Halbzeit auch die Karten im Zehnkampf. Der haushohe Favorit Damian Warner aus Kanada zog sich über 400 Meter eine Oberschenkelzerrung zu, legte damit die Goldspur frei. Allerdings wäre es ein paar Schubladen zu hoch gegriffen, Niklas Kaul nun Chancen einräumen zu wollen, seinen überraschenden Titel von 2019 in Doha als jüngster Zehnkampf-Weltmeister der Geschichte verteidigen zu können. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der 24-Jährige lediglich 17 Punkte hinter seinem damaligen Zwischenresultat liegt. (Ergebnisliste).

Souveräne Vorstellung von Titelverteidigerin Malaika Mihambo

Müßig,  außer sie sind dabei gewesen, ein Wort zu viel über die beiden deutschen Langstaffeln über 4x400m der Männer und Frauen zu verlieren. Bereits in der „Morning Session“ entledigte sich Weitspringerin Malaika Mihambo beim Unternehmen Titelverteidigung mit einem Sicherheitssprung von 6,84m in der Qualifikation (6,75m), bei dem sie nur ganz knapp mit der Spikesspitze den Balken berührte (17 cm „verschenkt“), der Pflicht. Wenn sie das Brett optimal trifft und dessen Katapultwirkung ausnutzt, dürfte eine sieben vor dem Komma fällig sein. Dann müssen der Konkurrenz die Flügel erst noch wachsen, die sie bei Übersetzung ihres Vornamens mit Engel sinnbildlich bereits hat. Aber wir wollen es nicht verschreien. Einen Garantieschein vermag im Sport keiner auszustellen. Die Ungewissheit und Unabwägbarkeit macht es ja gerade so spannend.
Die Fortsetzung des Zehnkampfes wird heute ab 18:35 Uhr im Internet-Livestream der ARD und in der kommenden Nacht ab 01:15 Uhr mit den weiteren Entscheidungen in der Fernseh-Programm übertragen.