Malaika Mihambo verteidigte im Hitchcocktail für starke Nerven den Titel

(Eugene/Krefeld, 25. Juli 2022) Was für ein Sprungfestival auch aus deutscher Sicht beim Schlussakkord der Weltmeisterschaften in Eugene/Oregon (USA) vergangene Nacht MESZ. Welch eine durch puren Zufall geschriebene Dramaturgie. Fast parallel schauten Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre bei seinem dritten Anlauf über 5,80m und Weitspringerin Maleika Mihambo nach zwei ungültigen Versuchen schon mal in den Abgrund. In einem Hitchcocktail für starke Nerven überquerte sie der „Stabi“ aus Leverkusen, und Mihambo sprang beim Ritt auf der Rasierklinge mit 6,98m ins Finale der besten Acht zunächst auf den zweiten Platz. Ein wenig später Duplizität der Ereignisse mit einem anderen männlichen Darsteller. Fast zeitgleich flog Oleg Zernikel über 5,87m (PBL) und setzte sich die als Titelverteidigerin angetretene 28-jährige Kurpfälzerin mit 7,09m im vierten Durchgang an die Spitze des da nur noch achtköpfigen Feldes.

Meisterstück mit Brillanten im finalen Versuch

Bereits vor im finalen Versuch als alte und neue Weltmeisterin feststehend, machte die in sich ruhende Vorzeigeathletin trotz des Spannungsabfalls ihr Meisterstück mit Brillanten, landete bei vermessenen 7,12m in der Grube. Geflogen war sie auch diesmal weiter, denn auch dieser Versuch war nicht richtig auf dem Brett. Gleichwohl oder gerade deswegen: Famos und grandios! „Ein bisschen Drama ist bei mir immer dabei“, meinte sie hinterher vor Mikrofon und Kamera bei der ARD. Ganz so, als handele es sich um das Selbstverständlichste der großen, weiten Leichtathletik-Welt, in der Deutschland lediglich noch eine Statistenrolle mit ein bisschen „Lametta“ spielt.

Kleinere Nationen laufen Deutschland den Rang ab

Also mitnichten Ende gut, alles gut! Ohne alles ausschließlich an Medaillen (je einmal Gold und Bronze) festmachen zu wollen, lief, sprang, stieß und warf diese insgesamt enttäuschende große deutsche Nationalmannschaft mit zu vielen Sporttouristen selbst den individuellen Möglichkeiten hinterher. Überschläglich resümiert gab es beim absoluten Jahreshöhepunkt unter freiem Himmel nur sieben klassische Endkampfplatzierungen, lediglich zwei persönliche und zwölf saisonale Bestleistungen, kamen die 78 Athleten*innen bei 65 Starts (die Diskrepanz erklärt sich durch die Staffeln) nur 19mal eine Runde weiter. Damit liegt dieses überpropfte Team in der Nationenwertung nach Punkten selbst im innereuropäischen Vergleich hinter weitaus kleineren Mannschaften und Ländern wie den Niederlanden, Belgien und der Schweiz zurück. Wenn das als Armutszeugnis der Extraklasse noch nicht reicht, was dann, Frau DLV-Cheftrainerin Annett Stein? Entsprechend in Erklärungsnot bot sie beim Resümee bei der ARD eine ähnlich hoffnungslos überforderte Figur wie wenige Tage zuvor hinsichtlich der Zwischenbilanz bei ZDF-Moderator Norbert König (wir berichteten).

Ex-Weltmeister Niklas Kaul nach Achterbahnfahrt Sechster

Doch zollen wir noch den wahren „Königen der Athleten“ den nötigen Respekt. Titelverteidiger Niklas Kaul wurde fernab einer Medaillenchance nach einer Achterbahnfahrt mit Auf und Abs beim Zwei-Tage-Werk der Zehnkämpfer mit 8.434 Punkten Sechster. Immerhin nach vielen Problemen der Formfindung im Vorfeld und einem nicht standesgemäßen, in der Branche verpönten Abbruch beim Heimmeeting in Ratingen (die Höchststrafe für Mehrkämpfer) sein drittbestes Endresultat, wie der 24-jährige Mainzer selber anmerkte.

Armand Duplantis sorgte mit seiner Flugshow für den krönenden Abschluss

Noch über den eigenen Lattenzaun geschaut, sorgte in einer hochkarätigen Stabhochsprung-Konkurrenz der uneingeschränkte König der Lüfte Armand „Mondo“ Duplantis aus Schweden für den krönenden Abschluss der zehntägigen Titelkämpfe. Dabei hatte der 22-jährige „Himmelsstürmer“ die Bühne für sich. Noch nach der eigentlich abschließenden 4x400m-Staffel der Frauen steigerte der Sohn eines amerikanischen Vaters und einer schwedischen Mutter nach der von seinem Rekordvorgänger Sergej Bubka aus der Ukraine übernommenen „Salamitaktik“ schon eigenen Weltrekord um einen Zentimeter auf 6,21m. Wie sparsam er da war, bewies die elektronisch gemessene lichte Höhe über der Latte von acht Zentimetern. Das zeigt, wo die luftige Reise für ihn noch hingehen wird.
Darüber sei nicht vergessen, dass die mit 5,87m höhengleichen Oleg Zernikel als Fünfter und der zuvor stärker eingeschätzte Lita Baehre als Siebenter beim deutlich geschlagenen Rest vom Fest prima in der Weltelite mitmischten. Duplantis in seiner eigenen Galaxie macht halt beim Preisgeld einkassieren für Titel und Rekorde eben alle anderen Preise kaputt.
Alle Ergebnisse dieser WM im Selektionsverfahren nach Disziplinen unter dieser Verlinkung.          .