Wer Chefbundestrainerin Annett Stein zuhört, wähnt sich im falschen Film
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- Geschrieben von Axel Hermanns
Kommentar
Nebenbei bemerkt
(Eugene/Krefeld, 20. Juli 2022) Wer in Ausübung seiner hochrangigen und sicherlich prächtig dotierten Tätigkeit gefragt wird, der steht nun mal in der Pflicht zu antworten. Das gebietet allein die Höflichkeit. Ansonsten wäre DLV-Chefbundestrainerin Annett Stein, schon bekannt geworden durch vollmundige und nicht eintreffender Ankündigungen zur diesjährigen Hallen-WM in Belgrad, anzuraten gewesen: Hättest du doch nur geschwiegen, wärest du Philosophin geblieben. Wenigstens für diese neuerliche peinliche Entgleisung. Aber so redete sich die Front- und Quotenfrau des nationalen Dachverbandes in der vergangenen Nacht beim nachvollziehbar kritisch angelegten Interview von ZDF-Moderator Norbert König zum bislang enttäuschenden Abschneiden (lediglich ein zehnter Platz) der großen deutschen Nationalmannschaft der Männer/Frauen bei den Weltmeisterschaften in Eugene im US-Bundesstaat Oregon um Kopf und Kragen. Glücklicherweise haben es als „Dosenöffner“ der Übertragung ab 02:05 Uhr nicht allzu viele Fernsehzuschauer gesehen und vor allem gehört. Aber die Medienvertreter aller Couleur hörten selbstverständlich ganz genau hin, halten ihr den Spiegel eingedenk ihrer obskuren Rechtfertigungsarie vor. Nur ein Beispiel im „Kicker“, eigentlich ein Fußball-Fachmagazin.
Ein Rhetorikkurs wäre dringend angzeigt
Bevor diese Dame abermals auf die sportinteressierte Öffentlichkeit losgelassen wird, sollte der DLV ihr mal einen Rhetorikkurs bei einer ausgewiesenen Koryphäe der Branche angedeihen lassen. Ohne es jetzt in allen Facetten auszuschmücken, war es verbal ziemlich grauselig und per Saldo auch argumentativ ausgesprochen dürftig bis haarsträubend. Es gipfelte darin, dass bei der Nominierung des mit sehr viel Sozial-Romantik aufgestellten 80-köpfigen Teams alles richtig gemacht worden sei. Auch bei Diskuswerfer Torben Brandt, der sich relativ kurz vor der Abreise ins Pre-Camp nach Santa Barbara in Kalifornien ein Corona-Infektion zuzog und acht Kilo Gewicht `= Muskulatur verlor. Beim kollektiven Ausscheiden der drei deutschen Diskuswerfer durfte er sich und sein Land mit einem Würfchen von 54,11m (SBL 66,18m) blamieren. Das nennt sich dann wohl Selbstdemontage oder Vorführung des Verbandes, der ihn hätte schützen müssen und nicht aufstellen dürfen.
Menschenführung und Empathie – was ist das?
Doch zurück zur Stein des Anstoßes. Mit ihrer Menschenführung und Empathie für ihre Schutzbefohlenen ist es allem Anschein nach ebenfalls nicht sonderlich bestellt. Während Siebenkämpferin Sophie Weißenberg nach ihrem Harakiri-Akt mit drei ungültigen Versuchen (auch im finalen Dritten volles Risiko!) in ihrer Paradedisziplin Weitsprung vor verständlicher Enttäuschung Rotz und Wasser heulte, von ihren Mitbewerberinnen um Annouk Vetter & Co. sowie ihren unter den Zuschauern weilenden Eltern getröstet wurde, saß Frau Stein ungerührt in der „Coaching Box“ und telefonierte per Handy. Marmor, Stein und Eisen bricht, aber die Annett nicht.
Wahlspruch mit Symbolcharakter: Dabei sein ist alles
Langstrecklerin Alina Reh vom SCC Berlin wird auf der Verbandsnetzseite in der Überschrift eines Beitrages mit den Worten zitiert: „Ich bin einfach froh, in Eugene dabei zu sein.“ Das hat sich bis jetzt mit wenigen Ausnahmen zum Wahlspruch mit Symbolcharakter für die „Streifenhörnchen“ im Nationaltrikot erwiesen. Setzen wir noch einen aus der Werbung drauf: „Dabei sein ist alles. Gerade mit Blasenschwäche".Und was da an Trümpfen mit Weitsprung-Titelverteidigerin Malaika Mihambo, Speerwerfer Julian Weber sowie der fürs Finale in der kommenden Nacht qualifizierten Diskuswurf-Troika Kristin Pudenz, Shanice Craft und Claudine Vita (der bislang größte Lichtblick) noch in der Hinterhand ist, sind keineswegs absolute Medaillenbanken. Wobei eh keiner ein rein deutsches Podest im Diskuswurf erwartet. Eine Medaille, von wem auch immer, wäre schon ein absoluter Knaller gegen enorm starke Kontrahentinnen.
Niederlande, Belgien und die Schweiz liefern Anschauungsunterricht
Und noch etwas Konstruktives zum Schluss: Der DLV mit seiner Chefhostess, 68 Bundes- und elf Stützpunkttrainern wäre gut beraten, bei vergleichsweise von der Einwohner- und Mitgliederzahl wesentlich kleineren Nationen wie den Niederlanden, Belgien und der Schweiz mal Anschauungsunterricht zu nehmen, wie gezielte und erfolgreiche Spitzensportförderung aussieht. Derweil wird sich hierzulande allein über Masse statt Klasse definiert. Das verstehe, wer will? Wahrhaftige Fachleute indes schon lange nicht mehr!