Allzu schönfärberisches Wortgeklingel hilft niemandem wirklich weiter

Kolumne

Moment mal

(Braunschweig/Bonn/Krefeld, 09. August 2020)
Gemeinhin hat man bei Sportübertragungen (DLV-Sprech: Challenges oder Events) den Eindruck, dass deren Reporter und Moderatoren nach der ASS-Strategie (= Arbeitsplatz-Sicherungs-Strategie) verfahren, sich untereinander einen Überbietungswettkampf in Plattitüden („Sie sind für das nächste Gruppenspiel gesperrt. Wie bitter ist das für Sie persönlich?“) und Schleimspurkriecherei (siehe Bayern Münchens Sprachrohr Uli Köhler bei Sky) zu liefern. Der Klassikersatz der Journalistenlegende Hajo Friedrichs Ein Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten" gilt für diese Spezies häufig nicht.
So scheute sich ARD-Experte Frank Busemann bei der laufenden Leichtathletik DM in Braunschweig nicht, auf die zarte Andeutung des Moderators Claus Lufen, ob es denn richtig sei, dass Gina Lückenkemper (das ist die, mit dem nie versiegenden Redefluss; siehe Bild im nächsten Absatz) als „das Gesicht der deutschen Leichtathletik" diese DM auslässt, diesem zu entgegnen, sie müsse ja Geld verdienen. Er spielte damit auf den wenige Tage zuvor erfolgten Start Lückenkempers in Finnland an.

Heuchlerisch: Kesse Lippe der Wahl-Berlinerin Lückenkemper hat arg gelitten

Nun muss man wissen, dass die Dame im Vorfeld nicht müde war, die Bemühungen des DLV um diese Meisterschaft zu würdigen (Originalton: „Es ist und bleibt eine Deutsche Meisterschaft, bei der Medaillen vergeben werden. Und es ist gut, dass uns Athletinnen und Athleten überhaupt diese Startmöglichkeit so wie viele weitere geschaffen worden sind. Dafür sind wir alle sehr dankbar, denn die Veranstalter mussten ihre Meetings unter strengen Vorgaben umsetzen. Man darf nicht vergessen: Leichtathletik ist eine Sportart, in der vielehrenamtlich läuft. Da sind solche Extremsituationen nur unter erheblichem Aufwand umzusetzen.“ Heuchelei pur! Man muss auch wissen, dass die in Finnland gelaufene Zeit (11,37 sec.) nicht ausgereicht hätte, um den Titel zu verteidigen. Das wusste sie natürlich.

Auch kein Klartext von ARD-Experte Frank Busemann

Sportexperte Busemann, wo bleibt hier Klartext? Anstatt auf Pseudolockerheit zu machen, wäre es nicht professioneller, in die Mikrofone die ungeschminkte Wahrheit (die die ARD-Leute sich aus Joberhaltungsgründen nicht trauen zu verkünden), zu äußern, dass diese Athletin ihren Verband schmählich im Stich gelassen hat und zu feige war, sich der Konkurrenz zu stellen, da das vorhersehbare Ergebnis ihrem Werbeimage und damit ihrem Konto schaden könnte?
Es gibt/gab allerdings auch Ausnahmen in ähnlichen Situationen. So erlaubte es sich  ARD-Expertin Franziska von Almsick, den damaligen Liebling der Gazetten, Britta Steffen, deren Rückzug während der Schwimm-WM 2011 vor laufender Kamera zu kritisieren („Ich verstehe nicht, warum sie alles hinschmeißt. Ich hätte ein bisschen mehr erwartet, dass man als Frontfrau des Deutschen Schwimm-Verbandes auch Verantwortung übernimmt und im Zweifel sich die Beine herausreißt; noch mal alles gibt, um die Lagen-Staffel in die Olympischen Spiele zu bringen“).
So wird’s gemacht! Und manche Verbände (und Sender) sollten sich glaubwürdigere Frontfrauen und -männer aussuchen.